Der Ingenieur spielt die erste Geige

So schön und anmutend futuristisches Design auch sein mag, Geld verdient damit nur der Architekt. Wer einen Reinraum baut, macht Umsatz und Gewinn mit technologischen Prozessen.

Diese zentrale Erkenntnis soll niemanden daran hindern, schöne Gebäude zu errichten, in denen Menschen gerne arbeiten und von denen sich Kunden angesprochen fühlen. Doch noch immer gilt der alte Grundsatz: Form Follows Function. Also erst der Zweck, dann das Design. Denn was nützt die schönste Optik, wenn sie unpraktisch oder schlimmstenfalls sogar kontraproduktiv ist?

Deshalb müssen bei der Planung von Reinräumen die Prozesse im Vordergrund stehen. Die Schritte, die zur Herstellung eines speziellen Produkts notwendig sind, bestimmen das Layout des Raums. Die Architektur schafft die äußere Hülle für die hochkomplexen Abläufe.

Gute Planer wissen das. Sie fragen deshalb zuerst nach den Prozessen und dann nach dem Design. Denn sie kennen die technischen Notwendigkeiten beim Bau eines Reinraums.

Leider fallen die Entscheidungen über Bauprojekte häufig auf einer Managementebene, die von der täglichen Praxis weit entfernt ist. Das führt dann immer wieder dazu, dass sich diese Entscheider von der schönen Optik eines Gebäudes blenden lassen. Die Anforderungen der Technik stellen sie hinten an. So erhalten Architekten anstelle von fachkundigen Ingenieuren den Zuschlag. Eine Folge, die wir in der Praxis immer häufiger sehen, sind kostspielige Nachträge und Nachbesserungen.

Nochmal: Nichts gegen Architekten. Sie spielen im gesamten Bauprozess eine überaus wichtige Rolle – doch im Reinraum eben nicht unbedingt die erste Geige. Außer, sie gehören zu den seltenen Exemplaren, die das Planen und Realisieren von Reinräumen beherrschen. So können dann – was wir in der Praxis durchaus erleben – optisch und funktionell hervorragende Gebäude entstehen.

Dennoch: Wenn mich persönlich ein Bauherr fragt, ob er eher einen Architekten oder einen fachkundigen Ingenieur mit der Planung eines Reinraums beauftragen soll, rate ich zum Ingenieur. Außer, der Architekt verfügt nachweislich über die notwendige Reinraum-Kompetenz.

Der Idealfall aber bleibt wie gehabt: Eine im höchsten Maße kooperative Zusammenarbeit beider wissenschaftlicher Fakultäten.
– Architektur und Technik -.

Ihr Prof. Dr. Gernod Dittel